Es hat sich ausgeklatscht

Kaum ist der Lockdown der ersten Pandemie-Welle überwunden, ist von den Dankesbekundungen an die Beschäftigten der gesellschaftlich notwendigen Branchen nichts mehr zu hören. Von den Lippenbekenntnissen und Prämienversprechen ist nichts geblieben. Schon versuchen Politik und Wirtschaft vergessen zu machen, welche Mängel des Systems die Pandemie aufgedeckt hat. Mehr noch: Statt all jene Missstände, die während der Corona-Pandemie so klar ins Licht der Öffentlichkeit getreten sind, zu bekämpfen, wird uns die Krisenlast aufgetischt.
Die aktuelle Krise hat schon vor Corona begonnen, der Virus hat sie nur beschleunigt. Corona hat aber noch einmal aufgezeigt, dass es ein grundsätzliches Problem in unserem Wirtschaftssystem gibt:
 
Ungleichheit
Wenn es um die elementaren Probleme unserer Gesellschaft geht: Bezahlbarer Wohnraum, günstige Mobilität, Klimaschutz, gute Gesundheitsversorgung für alle, Hilfe für Schutzsuchende, Löhne, von denen man leben kann: immer dann ist angeblich „kein Geld da“. Dabei ist das gelogen. Denn Geld gibt es genug – auf den Konten der Reichen: Das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung besitzt alleine 35 Prozent des Vermögens in Deutschland*. Währenddessen muss die ärmere Hälfte der Bevölkerung 1,4 Prozent des gesellschaftlichen Reichtums unter sich aufteilen. Diese extreme Ungleichverteilung ist das Ergebnis einer Politik, die konsequent umverteilt – von unten nach oben. Und eben dies passiert auch jetzt in der Krise.
Statt die Konzern-Eigentümer*innen zur Kasse zu bitten, werden ihnen Milliarden-Rettungspakete in den Rachen geworfen. Über eine Billion Euro gibt der Bund aus für Wirtschafts-Pakete und Kredit-Bürgschaften. Die Kassiererinnen und Pflegekräfte, die Beschäftigten in der Industrie und im öffentlichen Dienst, die Arbeitslosen und Rentner*innen, haben davon wenig. Sie werden durch Kurzarbeit, Entlassungen und drohende Einsparungen von Sozialleistungen noch mehr ans Existenzminimum gedrängt. Arbeitgeber*innen kündigen Nullrunden in den kommenden Tarifverhandlungen an, die CDU überlegt den Mindestlohn zu senken. Für migrantische Bauarbeiter, Erntehelferinnen und Beschäftigte in der Fleischindustrie sind Löhne und Arbeitsbedingungen ohnehin noch viel schlechter. An Kultur, Bildung und öffentlicher Infrastruktur soll in den nächsten Jahren massiv gespart werden. All dies trifft die Mehrheit der Bevölkerung, und vor allem die, die schon vor Corona fast nichts hatten.
Während die Eigentümer*innen und Aktionär*innen der großen Konzerne jahrzehntelang die Gewinne eingestrichen haben, soll die arbeitende Bevölkerung nun die Verluste tragen. Frei nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Aber nicht mit uns. Wir sagen: Die Reichen sollen die Krise zahlen!
 
Wirtschaftskrise
Massenentlassungen und Personalmangel sind zwei Seiten der selben Medaille. Schon vor Corona haben viele Unternehmen massiven Stellenabbau angekündigt. Bis Ende Juli haben schon rund 600.000 Menschen ihre Jobs verloren. Vor allem in der Metall- und Elektroindustrie wird gerade entlassen oder werden gleich ganze Betriebe geschlossen. Gleichzeitig wird der Arbeitsdruck für viele andere weiter erhöht. Und so überarbeiten sich die einen, während die anderen keine Arbeit finden. Und in der Folge werden viele demnächst ihre Mieten nicht mehr zahlen können und schlimmstenfalls ihre Wohnung verlieren. Wir finden: Es ist an der Zeit, diese Absurdität zu beenden. Wir brauchen ein System, in dem die Arbeit gerecht verteilt wird – und die Früchte dieser Arbeit ebenso. Die aktuelle Krise zeigt einmal mehr, wie nötig wir eine grundsätzliche Veränderung brauchen.
Hinzu kommt: Die Konkurrenz auf den Weltmärkten,imperiales Vormachtstreben, Aufrüstung und Waffenexporte erhöhen die Kriegsgefahr. Die Milliarden für die Rüstungsausgaben der Staaten fehlen für gesellschaftlich sozial und ökologisch notwendige Ausgaben. Und derweil treibt das kapitalistische Wirtschaftssystem die Klimazerstörung ungebremst voran, sie bedroht die Lebensgrundlage der Menschheit und zwingt heute schon Millionen zur Flucht.
 
Es muss nicht bleiben, wie es ist
So wie es ist, muss es nicht bleiben. Es ist kein Naturgesetz, dass in Krankenhäusern gestresstes, unterbezahltes Personal mit mangelnder Ausrüstung Patient*innen versorgt. Auch nicht, dass diese und ein Großteil anderer schlecht bezahlter Jobs zusätzlich zur Haushaltsarbeit noch immer von Frauen* gemacht werden. Es ist nicht unvermeidlich, dass unsere natürliche Umgebung zerstört wird, um Arbeitsplätze zu erhalten. Es ist nicht notwendig, dass es alle paar Jahre zu Krisen kommt, die die Existenz von Millionen gefährden. Um unsere Ernährung zu sichern, brauchen wir keine sklavenähnlichen Bedingungen für migrantische Arbeiter*innen auf Feldern und in Fleischfabriken. Und ganz sicher brauchen wir keine rassistische Polizeigewalt!
 
Gesundheitsversorgung, Energie, Mobilität und Wohnraum gehören in die Hände der Gesellschaft. Nur, wenn wir demokratisch darüber entscheiden können, was produziert wird, wie die Arbeit verteilt wird und wohin all der Reichtum fließt, den wir erwirtschaften, können wir die Umverteilung von unten nach oben stoppen. Wir fordern ein demokratisches Wirtschaftssystem, dessen Ziel die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen ist – und nicht der Profit.
Eine Wirtschaft, die nicht den Mensch und die Natur ausbeutet, und in der die notwendige Arbeit fair verteilt ist und niemanden kaputt macht, ist möglich. Doch dazu müssen wir uns zusammenschließen und klar machen, dass wir den Karren für unsere Bosse nicht mehr aus dem Dreck ziehen wollen! Gemeinsam können wir die Kämpfe für unsere Interessen organisieren und uns durch unsere Solidarität gegenseitig im Kampf stark machen. Zentrale Bedeutung haben für uns dabei die Gewerkschaften, in denen wir kämpfen, um unsere Arbeits- und Lebensbedingungen gegen die Angriffe der Konzerne zu verteidigen. Wir glauben aber nicht an Sozialpartnerschaft oder daran, dass uns Zugeständnisse an die Unternehmen etwas bringen.
Es ist notwendiger denn je, jetzt zu handeln, für ein besseres System. Wir, Arbeiter*innen, Angestellte, Pflegekräfte, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und Verkäufer*innen, halten den Laden am Laufen. Und nur wir können dafür sorgen, dass diese Krise nicht schon wieder auf unserem Rücken ausgetragen wird!

31. August 2020

*) https://awblog.at/vermoegensverteilung-in-deutschland/